// Rolf Stuppardt
Politik tut sich schwer mit Gesundheit. Die Arbeitsgruppe Gesundheit, die wie andere Arbeitsgruppen auch, den Verhandlungsführern einer möglichen CDU-SPD-Koalition zuarbeitet, hat immerhin ein 11 Seiten langes Papier einschließlich der Auswirkungen vorgelegt. Ich will nicht „maulen“, denn schließlich weiß ich, wie „vermint“ das Thema Gesundheit ist. Doch es erinnert mich an das „Patchworken“ im Rahmen der gegebenen Strukturen und Prozesse. Der große Perspektiventwurf, um das System auf die Beine zu stellen und es zu einem echten Gesundheitssystem zu transformieren, ist es nicht. Klar, wir sind nicht auf der grünen Wiese, doch wenn ich die richtigen und wichtigen Zukunfts-Themen vor Augen habe, werde ich strategische Ziele ins Auge fassen: Wo soll es in welchen Zeiteinheiten langfristig hingehen? Das fehlt. Leider.
Natürlich beginnt das Papier wie üblich mit dem Thema Krankheitsvermeidung, Gesundheitsförderung und Prävention, die – wie ebenfalls üblich – eine wichtige Rolle spielen sollen. Was das genau bedeutet, spielt sich im Wesentlichen in dem begrenzten Rahmen ab, den wir kennen. Prävention bleibt weit hinter seiner tatsächlichen Bedeutung für Gesundheit zurück. Und dies ist z. B. ein Feld strategischer Umorientierung.
Dann geht’s auch gleich in die ambulante Versorgung. Auch hier nichts besonders Neues. Schnellere Terminvergabe, Primärarztsystem durch Haus- und Kinderärzte, Flexibilisierung des Honorarsystems. Die Idee der Patientensteuerung in der Regelversorgung ist sicher vorwärtsweisend. Die Vor-Ort-Apotheken im ländlichen Raum sollen gestärkt und von Bürokratie entlastet und der Beruf zu einem Heilberuf weiterentwickelt werden. Die industrielle Gesundheitswirtschaft, insbesondere die Pharmaindustrie und die Medizintechnik als Leitindustrien sollen gestärkt werden und man will eine bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhauslandschaft fortentwickeln.
Schließlich positioniert man sich für eine Stabilisierung der Beitragssätze, indem immerhin die nicht kostendeckenden Beiträge für die Bürgergeldempfänger vollständig aus Steuermitteln finanziert werden sollen. Das ist mehr als überfällig. Der Bundeszuschuss soll dynamisiert und der für die GKV vorgesehene Anteil für den Transformationsfonds für Krankenhäuser soll aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert werden. Auch das ist im Grunde Angelegenheit der staatlichen Daseinsfürsorge und nicht der Solidargemeinschaften.
In der Pflege soll es eine große Pflegereform mit einer Stärkung der sektorenübergreifenden pflegerischen Versorgung und weniger Bürokratie geben. Durch ein Bürokratieentlastungsgesetz sollen Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit gefördert werden. Die Chancen der Digitalisierung sollen beschleunigt genutzt werden, ein Registergesetz soll aufgelegt und Deutschland zu einem Spitzenstandort für Gesundheitsforschung gemacht werden. Medizinische und gesundheitliche Versorgung soll geschlechts- und diversitätssensibel ausgebaut werden. Der Stellenwert der Psychotherapie soll ausgebaut, ein Pakt für Kindergesundheit auch mit Blick auf die Schulen soll geschlossen werden. Organ- und Gewebespenden sollen deutlich erhöht werden.
Schließlich will die potenzielle Koalition die Wertschätzung und Attraktivität der Gesundheitsberufe erhöhen. Und abschließend soll die Forschung und Versorgung zur Naturheilkunde und Integrativer Medizin zur Präventionsförderung unterstützt werden. Auch im Grunde ein strategisches Perspektiventhema auf dem Weg zu einer menschlichen Medizin.
In Summa sollen 4,8 Mrd durch die Maßnahmen eingespart werden. An Aufwendungen für den Staat ergeben sich etwa 6,6 Mrd. Hinsichtlich der Stabilisierung der Beitragssätze ergibt sich eine Zuwendungssumme von rund 16,8 Mrd. und aus dem Sondervermögen werden etwa 4,2 Mrd. kalkuliert, die für die der GKV auferlegten, stationären Transformationskosten zur Verfügung stehen sollen.
Insgesamt erinnert das Papier an die Denkschule der alten Großen Koalition, wenn auch isoliert betrachtet durchaus Licht zu erkennen ist. Grundlegende strukturelle und prozessuale Transformationsperspektiven erkenne ich aber nicht. Der Aspekt „Klima, Umwelt und Gesundheit“ fehlt völlig. Nach wie vor dominiert die Sektoren- und Institutionenorientierung. Gesundheit muss aber menschenorientiert und patientenfokussiert und patientensensibel gestaltet werden. Es geht in erster Linie um den Gesundheitsbedarf der Menschen, nicht um Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen. Das gesundheitliche und soziale System muss nicht für sich, sondern für den Menschen „gebaut“ sein.
Für mich ist Gesundheit ein zentrales gesellschaftliches und volkswirtschaftlich bedeutsames Thema. Das Potential von Gesundheit könnte wichtiger Treiber für eine zukunftsfähige und prosperierende Wirtschaft und Gesellschaft sein. In Gesundheitserhalt und Prävention steckt in meinen Augen ein enormer Wachstumsmotor. Sie sind auch entscheidend für eine nachhaltige Finanzierung und die Basis für Produktivität, Rentabilität und Prosperität. Gesundheit ist schlicht ein Fundament für Zukunftsfähigkeit. Es muss im politischen Raum eine zentrale Bedeutung ähnlich wie Verteidigung, Bildung, Verkehrs- und Wirtschaftsinfrastruktur erlangen. Das hat es noch nicht. Ich habe zuweilen den Eindruck, das Teile des Systems und viele Verantwortliche in ihren Lösungsorientierungen weiter sind als die Politik. Nun müssen wir sehen, was daraus wird und wir dürfen nicht müde werden, an einem Gesundheitssystem zu arbeiten, was seinen Namen verdient.
In diesem Sinne, kommen Sie alle aufgeräumt in den Frühling, auf den Verlass sein wird
Ihr Rolf Stuppardt
Dieser Beitrag stammt aus dem Welt der Gesundheitsversorgung Newsletter 02-2025. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!
// Rolf Stuppardt